Das EigenArt-Archiv: Rückblicke auf das Veranstaltungsjahr 2012
OpenAirKino: BAIKONUR - Was vom Himmel fällt, darf man behalten
Regie: Veit Helmer | Deutschland, Russland, Kasachstan 2010 | 95 Minuten | FSK: freigegeben ohne Altersbeschränkungen
Der preisgekrönte Regisseur Veit Helmer erzählt mit einem Augenzwinkern die poetische Liebesgeschichte zwischen dem kasachischen Dorfbewohner „Iskander" und der französischen Weltraumtouristin „Julie", die mit ihrer Raumkapsel mitten in der Steppe landet.
„Was vom Himmel fällt, darf man behalten". Nach diesem Gesetz der kasachischen Steppe sammeln die Bewohner eines kleinen Dorfes, nicht weit vom Weltraum-Bahnhof Baikonur, Weltraumschrott.
Für ein modernes Märchen wie dieses kann man sich wohl kaum einen bizarreren Ort vorstellen als Baikonur, den weltgrößten Raketen-Startplatz, von dem vor 50 Jahren Juri Gagarin als erster Mann ins All gestartet ist. Baikonur ist ein Ort der Gegensätze. Hier trifft Weltraumfahrt-Hightech auf die Archaik der kasachischen Steppe. Und hier treffen auch der scheue, kasachische Dorfbewohner Iskander (Alexander Asochakov) und die französische Weltraumtouristin Julie Mahé (Marie de Villepin, Tochter des ehemaligen französischen Premierministers Dominique de Villepin) aufeinander. Iskander, genannt Gagarin, und seine Dorfnachbarn leben von dem Schrott, den die Raketen von Baikonur abwerfen. Julie sitzt in einer dieser Raketen, die sie für 20 Millionen Dollar immer weiter ins All und in die Schwerelosigkeit bringt.
Als sie allein in einer Kapsel zur Erde zurückkehrt und durch den Aufprall in ein Koma fällt, nimmt Iskander sie - vwie den Weltraumschrott - einfach mit zu sich nach Hause, in seine ärmliche Jurte, versorgt, wäscht und versteckt sie. Denn wie sagt so schön ein altes kasachisches Gesetz: Was vom Himmel fällt, darf man behalten. Während die russischen Behörden ob der verschwundenen Julie immer besorgter werden, hält Iskander sie weiterhin versteckt. Er geht sogar soweit, dass er „seiner Verlobten“ das Brautkleid seiner verstorbenen Mutter anzieht und mehrmals versucht, sie wach zu küssen.
Als Julie aus dem Koma erwacht, hat sie nicht nur die Orientierung, sondern ihr komplettes Gedächtnis verloren. Wie im Trance bewegt sie sich durch die Steppe. Erst bei einem Liebesspiel, kommt sie wieder ganz zu sich und verflucht Iskander für sein Verhalten und seine Lügen. Julie kehrt zurück und Iskander wird – um einen Skandal zu vertuschen – als Held gefeiert und mit einem Job in Baikonur belohnt.
Es ist bemerkenswert, dass Veit Helmer es geschafft hat, in Baikonur drehen zu dürfen. Er gewinnt Einblicke und Bilder, die zuvor noch nie in einem Spielfilm zu sehen waren. Baikonur ist einmalig auf der Welt. Der Ort war zur Zeit des Kalten Krieges streng geheim und auf der Landkarte absichtlich 400 Kilometer vom wirklichen Baikonur vermerkt. So ein Ort ist reif für einen Dokumentarfilm, den Veit Helmer zwar nicht gedreht, doch auf eine geniale Weise in sein Märchen eingebunden hat.